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Kürzlich stattete ich Professor Abolghassem Sepehrnia in seiner Praxis in Luzern einen Besuch ab. Er war es, der im Mai 2016 den seltenen, gutartigen Hirntumor „Akustikusneurinom“ bei mir operativ entfernte. Diese Krankheit beschäftigt mich im Rahmen der Stiftungsarbeit weiterhin – zahlreiche Betroffene melden sich mit ihren Fragen und Sorgen bei uns. Daher stehe ich auch weiterhin im regelmässigen Austausch mit Professor Sepehrnia.

Was ihn – abgesehen von seinen überragenden technischen Fähigkeiten – besonders auszeichnet, ist die Feinfühligkeit, die er gegenüber den Patienten walten lässt. Noch nie hat sich ein Patient, den wir an ihn verwiesen haben, negativ geäussert. Abolghassem Sepehrnia gelingt es ein enormes Vertrauensverhältnis aufzubauen – aus eigener Erfahrung kann ich dies bestätigen. Wie er selbst bei meinem Besuch sagte: „Ein Patient braucht nicht primär einen Arzt, sondern zuerst einen Seelsorger, dann einen Freund und zum Schluss erst den Arzt. Beim ersten Gespräch, für das ich mir eine Stunde Zeit nehme, frage ich die Patienten nach ihren Sorgen und Wünschen. Je besser ich den Patienten kenne, und er mich, desto ehrlicher können wir über seine Krankheit und damit auch über schwierige Dinge sprechen.“

"Ein Patient braucht nicht primär einen Arzt, sondern zuerst einen Seelsorger, dann einen Freund und zum Schluss erst den Arzt."

Das Problem der Teilentfernung

Professor Sepehrnia ist aus meiner Sicht der Beste in seinem Fach. Im Fall der Akustikusneurinome ist es leider in der Schweiz immer noch so, dass die Operation von Ärzten durchgeführt wird, die nicht über die nötige Erfahrung bei diesem Eingriff verfügen. Sie tendieren dazu, den Tumor, der am Hörnerv liegt, nur teilweise zu entfernen und damit das Gebiet des Nervs zu meiden, um keine Schäden anzurichten.

Was auf den ersten Blick einleuchtend erscheint, macht gemäss Professor Sepehrnia aus medizinischer Sicht keinen Sinn: „Wer schon hunderte Male diese Operation durchgeführt hat, würde einer Teilentfernung niemals zustimmen, weil sie dem Patienten nachhaltig nichts bringt. Denn der Tumor wird weiterwachsen und eine zweite Operation ist viel gefährlicher und schwieriger. Wir haben heute die Fähigkeiten, die Technik und die Erfahrung, um den Tumor komplett zu entfernen und dabei in 50% der Fälle die Funktion des Hörnervs zu erhalten. Das Problem des Hörverlusts wird mit einer Teilentfernung oder Bestrahlung des Tumors nicht gelöst, sondern nur verschoben.“

Prof. Abolghassem Sepehrnia

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Enorme Fortschritte bei den Behandlungsergebnissen

Durch den technischen Fortschritt und die Spezialisierung einzelner Neurochirurgen auf dem Gebiet der Schädelbasischirurgie konnten die Behandlungsergebnisse in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert werden. Die Sterblichkeit wurde von 85 auf nahezu null Prozent heutzutage reduziert, die Hörerhaltung von 0% auf 50% gesteigert. Bei 98% der Komplettentfernungen des Tumors gelingt es ausserdem den Gesichtsnerv (Facialis) zu erhalten. Bei den übrigen 2% kann der Nerv via Transplantation rekonstruiert werden.

„Hinsichtlich der Diagnose- und Behandlungstechniken sind kaum mehr Verbesserungen möglich“, so Sepehrnia. Dennoch brauche es weitere Forschung: „Die Hörerhaltung ist auch ein physiologisches Problem, das wir nur teilweise verstehen. Es gibt Patienten, bei denen der Nerv erhalten wurde und die Funktionen erkennbar sind, aber der Patient sagt ‚Ich höre nichts‘. Derzeit können wir dies noch nicht erklären. Ziel ist es daher, die Hörerhaltung in den kommenden Jahren weiter zu erhöhen.“

Die Suche nach einem Nachfolger

2012 gelang es uns, eine Ausübungsbewilligung für Professor Sepehrnia in der Schweiz zu bewirken. Bei meinen eigenen Recherchen nach der Erkrankung nahm ich mit verschiedenen Experten auf dem Gebiet der Akustikneurinome Kontakt auf, wobei mir rasch klar wurde, dass in der Schweiz niemand über die nötige Erfahrung bei diesem Eingriff verfügte. Daher entschloss ich mich, einerseits die Plattform IGAN aufzubauen sowie andererseits einen der weltweit anerkanntesten Neurochirurgen für eine Tätigkeit in der Schweiz zu gewinnen. Die Wahl fiel rasch – aus den eingangs erwähnten Gründen – auf Professor Sepehrnia. Bis es schliesslich soweit war, spürten wir auch das Konkurrenzdenken, das in der Medizin herrscht. Andere Neurochirurgen in der Schweiz fürchteten aufgrund des Zuzugs eines ausgewiesenen Experten Patienten zu verlieren.

"Bis es schliesslich soweit war, spürten wir auch das Konkurrenzdenken, das in der Medizin herrscht."

Unsere nächste Aufgabe wird nun sein, einen geeigneten Nachfolger aufzubauen, der in seine Fussstapfen tritt. Dies ist eine grosse Herausforderung, wie Professor Sepehrnia erklärt: „Es braucht eine enorme Hingabe, um auf einem so spezifischen Gebiet zu den Besten zu gehören. Nur die wenigsten jungen Mediziner scheinen diese Hingabe aufbringen zu wollen.“

Guido Fluri und Prof. Abolghassem Sepehrnia

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