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15. Juni 2024

Die Vorbilder Europas

Am Sommerfest 2024 würdigte Bundesrat Beat Jans die grosse Leistung der ehemaligen Schweizer Verdingkinder.

Rund 800 ehemalige Heim- und Verdingkinder sowie weitere Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen haben sich am Samstag (15. Juni 2024) in Thun getroffen. Es ist das grösste Treffen der letzten Zeitzeuginnen und -zeugen dieses dunklen Kapitels der Schweizer Geschichte.

Eine besondere Ehre war der Besuch von Bundesrat Beat Jans. In seiner Rede würdigte er die grosse Leistung der ehemaligen Verdingkinder: «Ich bewundere Sie alle. Für Ihre Stärke, für Ihre Resilienz und für Ihre Lebensfreude. Ich bewundere, wie Sie sich gegenseitig unterstützen und wie Sie Mut und Zuversicht schöpfen. Ich bewundere, dass sie hinstehen und ihre Geschichte erzählen.» Und er versprach: «Als Bundesrat – und ganz besonders als Justizminister – setze ich mich dafür ein, dass wir die Erinnerung an das grosse Leid und an das Unrecht wach und lebendig halten und aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Das verspreche ich Ihnen.»

Ich danke Bundesrat Beat Jans herzlich für seine Teilnahme, welche für die Opfer eine immens grosse Bedeutung hat und ein grosses Zeichen der Wertschätzung darstellt.

In meiner Rede war es mir wichtig festzuhalten, dass die Betroffenen heute keine Opfer mehr sind. Sie sind Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Vorbilder für die Generation von heute und die Generation von Morgen. Ihre persönliche Geschichte ist heute ein integraler Teil der Schweizer Geschichte, der nicht mehr geleugnet oder verschwiegen wird.

Und tatsächlich sind die Schweizer Verding- und Heimkinder zu Vorbildern geworden – und zwar für ganz Europa. Der Europarat hat erst vor wenigen Wochen eine Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in den Mitgliedstaaten nach Schweizer Vorbild beschlossen. Gemäss Europarats-Entscheid soll das Leid der Überlebenden von Kindsmissbrauch in den Mitgliedstaaten offiziell anerkannt werden, die Betroffenen sollen – unabhängig einer allfälligen Verjährung – eine Wiedergutmachungszahlung erhalten und eine wissenschaftliche Aufarbeitung soll in jedem einzelnen Land stattfinden. Die bahnbrechenden Empfehlungen des Europarats entsprechen den Forderungen der europäischen Justice Initiative, welche von der Guido Fluri Stiftung zusammen mit Kinderschutzorganisationen und Opfergruppen aus ganz Europa lanciert worden war.

Zum feinen Essen sorgten Thomas Aeschbacher & Friends, Francine Jordi und Marc Sway am Sommerfest 2024 für musikalische Unterhaltung. Dabei teilte Marc Sway seine persönliche Geschichte. Sein Grossvater wurde als Kind auf einem Bauernhof verdingt. Aufgrund von gesundheitlichen Problemen kam er glücklicherweise von dort weg und konnte ein erfolgreiches und erfülltes Leben führen. Auch er ist ein Vorbild – für Marc Sway und viele weitere Menschen. Ich danke allen Beteiligten am Sommerfest ganz herzlich für ihren Einsatz. Erneut haben wir alle zusammen ein Zeichen der Solidarität gesetzt!