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26. Januar 2024

Eine Sternstunde für Überlebende aus ganz Europa

Der Europarat hat heute für die Aufarbeitung der früheren Missbrauchsfälle nach dem Vorbild der Schweizer Wiedergutmachungsinitiative gestimmt. Damit sollen die Betroffenen von Kindsmissbrauch noch zu Lebzeiten eine Form der Gerechtigkeit erfahren.

Mit einer klaren Mehrheit wurde der Bericht «Kindesmisshandlung in Europa: Aufarbeitung, Entschädigung und Prävention» vom Europarat, bestehend aus 46 Staaten, welchen über 600 Millionen Bürger:innen angehören, angenommen. Demnach soll das Leid der Überlebenden von Kindsmissbrauch in den Mitgliedstaaten offiziell anerkannt werden, die Betroffenen sollen – unabhängig einer allfälligen Verjährung – eine Wiedergutmachungszahlung erhalten und eine wissenschaftliche Aufarbeitung soll in jedem einzelnen Land stattfinden. Dies entspricht den Forderungen einer Motion der europäischen Justice Initiative.

Zur Medienmitteilung der Guido Fluri Stiftung

Zum Bericht von Nationalrat Pierre-Alain Fridez («Child abuse in institutions in Europe»)

Die Schweiz als Vorbild

Für Überlebende aus ganz Europa ist dieser Entscheid eine Sternstunde und ein Grund zur Hoffnung. Dazu haben wir in der Schweiz Pionierarbeit geleistet, an welcher sich nun die europäische Gemeinschaft orientieren kann. Die Wiedergutmachungsinitiative umfasste als Kernpunkte die gleichen Forderungen und mündete im Gesetz zur Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor 1981. Über 12’000 Überlebende von Kindsmissbrauch haben in der Folge eine offizielle Anerkennung des Unrechts und eine Solidaritätszahlung erhalten, und die Missbrauchsfälle wurden staatlich aufgearbeitet.

«Wer die Missbrauchsfälle von früher ignoriert, kann die Missbrauchsfälle von heute und morgen nicht wirksam bekämpfen», sagte der Schweizer Berichterstatter Pierre-Alain Fridez vor dem Parlament des Europarats. «In Europa dürfen wir nie wieder die Augen verschliessen vor dem Missbrauch von Kindern in öffentlichen, privaten oder religiösen Einrichtungen, die eigentlich sichere Häfen sein sollten».

Erfolgreiche Bewegung für den besseren Schutz von Kindern

Auch für die Justice Initiative ist der heutige Tag ein Meilenstein. Die internationale Zustimmung und Unterstützung, welche die Bewegung seit ihrem Start erfahren durfte, ist überwältigend. Bereits im Dezember hatten wir beim EU-Parlament in Brüssel eine Petition mit mehr als 540’000 Unterschriften eingereicht. Diese fordert den besseren Schutz von Kindern im Internet.

Ich möchte mich bei allen, welche an diesem Erfolg mitgewirkt haben, herzlich bedanken. Insbesondere bei allen Opfergruppen, Akademiker:innen und Kinderschutzorganisationen, welche sich im Rahmen der Justice Initiative zusammengeschlossen haben, um sich für die Aufarbeitung und Anerkennung der Missbrauchsfälle einzusetzen. Ebenso gilt mein Dank Nationalrat Pierre-Alain Fridez sowie dem Ständigen Vertreter der Schweiz beim Europarat, Botschafter Claude Wild.