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Rund 200 ehemalige Verdingkinder und Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen haben heute in Bern die Wiedergutmachungsinitiative eingereicht.
Die Initiative ist in nur acht Monaten mit über 110’000 gültigen Unterschriften zustande gekommen. Die Wiedergutmachungsinitiative wurde von einem überparteilichen Komitee rund um den Urheber der Initiative, Guido Fluri, gemeinsam mit Betroffenenverbänden und der Zeitschrift Beobachter lanciert. Inzwischen unterstützen Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien die Initiative.
In der Schweiz haben Zehntausende Verding- und Heimkinder schwerste Misshandlungen und Missbrauch erfahren. Bis 1981 wurden Tausende ohne Gerichtsbeschluss administrativ versorgt und an Insassen von Institutionen wurden Medikamentenversuche durchgeführt. Frauen wurden unter Zwang sterilisiert, Kinder wurden gegen den Willen ihrer Mütter zur Adoption freigegeben oder in Waisenhäusern und Kinderheimen platziert.
Die Wiedergutmachungsinitiative will dieses dunkle Kapitel der Schweizer Geschichte wissenschaftlich aufarbeiten und für die 20’000 schwer betroffenen Opfer einen Wiedergutmachungsfonds über 500 Millionen Franken einrichten. Eine unabhängige Kommission soll jeden Fall einzeln prüfen und so ein Giesskannenprinzip verhindern. Geld aus dem Fonds, das nicht aufgebraucht wird, fliesst an die Einleger zurück.
Unter diese Forderungen der Initiative haben in nur acht Monaten 110’000 Stimmberechtigte ihre Unterschrift gesetzt. «Das rasche Zustandekommen der Initiative zeigt, dass die Bevölkerung das Unrecht, das die Verdingkinder und andere Schwerbetroffene erfahren haben, rasch wiedergutmachen will. Es ist ein klares Zeichen der Bevölkerung an die Politik», sagt Initiant Guido Fluri. «Die meisten der Opfer sind betagt, leben oft unter prekären Bedingungen und brauchen dringend Hilfe und Unterstützung.»
Seit der Lancierung vor gut acht Monaten sind dem Unterstützungskomitee Dutzende von nationalen und kantonalen Politikerinnen und Politiker aus allen Parteien beigetreten. Die Initiative wird zudem von namhaften Exponenten der Wissenschaft, von ranghohen Amtsträgern beider Landeskirchen, aber auch von Bauernvertretern sowie bedeutenden Schweizer Kulturschaffenden unterstützt (www.wiedergutmachung.ch/komitee). Mitinitiant und FDP-Ständerat Joachim Eder sagt darum: «Heute ist es offensichtlich, was für mich von allem Anfang an klar und wichtig war: Die Wiedergutmachungsinitiative ist kein linkes und kein rechtes Anliegen. Es ist ein Anliegen von gesellschaftspolitischer Bedeutung, es ist eine Initiative für die Schweiz als Ganzes!»
Die Wiedergutmachungsinitiative ist politisch notwendig, weil es bis heute keine gesetzliche Grundlage für eine umfassende Wiedergutmachung gibt. Es ist nun an Bundesrat und Parlament, auf die heute eingereichte Wiedergutmachungsinitiative zu reagieren und deren Forderungen rasch umzusetzen. SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr ist überzeugt, dass der Auftrag der Bevölkerung in Bundesbern Wiederhall finden wird: «Die über 110’000 Unterschriften stehen für Achtung und Respekt. Gemeinsam werden wir alle zusammen den Weg zum Gipfel weitergehen. Ich bin zuversichtlich, dass wir ihn erreichen.»
Die Schweiz geht den Weg der Wiedergutmachung nicht allein. Andere Länder haben bereits Hunderte von Millionen für die Aufarbeitung ihrer Missbrauchsfälle bereitgestellt. Allein in Irland wurden über 1,2 Milliarden Euro aufgebracht. Die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition darf hier nicht abseits stehen. Den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen wurde schweres Unrecht angetan, Staat und Gesellschaft stehen deshalb gegenüber den Betroffenen in der Pflicht.